Vor genau einem Jahr sass ich im Flieger Richtung Ungewissheit und Abenteuer. Ich habe mich zwar sofort in das grüne, staubige Land und dessen einzigartigen Leute verliebt, aber meine Ängste blieben vorerst.
Ich kann nicht sagen, dass nichts von dem eingetroffen ist, wovor ich Angst hatte (Malaria scheint’s mir irgendwie angetan zu haben) aber was ich sagen kann, ist: Gott hat meine Erwartungen hundertfach übertroffen. Er hat mir eine Zeit geschenkt, in der ich einfach ausspannen konnte, mit unglaublichen jungen Frauen Gemeinschaft leben durfte und so viele neue, umwerfende Eigenschaften an Gottes Charakter erkennen konnte.
Je mehr ich die Freiheit und Lebensfreude in Uganda geniessen konnte, desto mehr wünschte ich mir, den Tag der Abreise hinauszögern zu können. Diesen Tag, den ich mir am Anfang der 6 Monate herbeigewünscht habe.
Der Tag der Abreise kam unverhofft schnell und doch freute ich mich natürliche sehr auf meine Lieben.
Nach 6 Monaten einen Wohnort zu verlassen, ist, wenn man nicht gerade die ordentlichste Person ist, ziemlich stressig. :)
Heimreise
Mit vollgestopften Koffern sass ich dann im Bus zum Flughafen – auf in mein neues altes Leben.
Ich weiss noch genau, wie die Strassen Ugandas an mir vorbeiflogen (die Ugander fahren ja bekanntlich, als wären sie die Einzigen auf der Strasse) und ich jedes einzelne Detail dieses Landes in mich hineinsog. Das erste Mal, als ich diese Flughafenfahrt erlebte (oder besser gesagt ÜBERlebte), war vieles ungewiss. Jetzt jedoch, wusste ich so vieles über die Kultur dieses Land und dessen Leute, ich habe unglaubliches erlebt und wurde einfach nur überreich beschenkt. Angesichts dieser Tatsachen konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich Lachen oder Weinen wollte. Meine Weinattacke (und ich meine auch wirklich Attacke) ging erst los, als ich mit dem Flugzeug über schweizerischen Boden flog, dies hat sicherlich ein amüsantes Bild abgegeben.
Wieder alle vereint, ein unglaubliches Gefühl
Überraschungen
Zuhause angekommen wurde ich von am laufenden Band überrascht! Sooo genial!
Luki, der gerade das Militär bestritt, hat mir schon lange vorher angekündigt, dass er mich leider nicht abholen könne, da sie ein Gesuch „Verlobte vom Flughafen abholen gehen“ niemals bewilligen würden. Es wäre mir sehr wichtig gewesen, ihn sofort zu sehen und ich war irgendwie enttäuscht...
ABER ich habe Gottes Macht wieder einmal unterschätzt: Das Gesuch wurde bewilligt und Luki konnte mich abholen. Was für ein Wunder Gott getan hatte, wurde mir erst richtig bewusst, als ich sah, dass manchmal nicht einmal Gesuche für Uni-Besuchstage bewilligt werden.
Gott hat schon mal markiert: ich bin auch in der Schweiz genau der Selbe und beschenke dich – und das hat sich bis heute durchgezogen.
Überrascht wurde ich auch von den vielen lieben Leuten, die am Abend bei uns eine Grillparty feierten und sich so liebevoll für mich und mein Uganda-Abenteuer interessiert haben.
Des weiteren wurde ich ein paar Tage später von Malaria überrascht und von der Tatsache, dass ich somit mein Studium erst eine Woche später starten konnte.
Alltag
Sobald dann auch das Studium angefangen hatte, fühlte ich mich wieder ganz im „alten Leben“.
Der Alltag hat mich regelrecht überfahren, was mit sich brachte, dass ich keine Zeit hatte einen Kulturschock zu haben. Ich hatte aber auch keine Zeit, um meine Gefühle zu verarbeiten.
Die langen Stunden in der PH wurden abgelöst von Arbeitsstunden im Verkauf oder am Telefon für die Heilsarmee.
Uganda wurde sofort in den Hintergrund katapultiert und ich habe nicht mehr oft an diese wunderbare Zeit gedacht. Einerseits, weil der Alltag mich nicht wirklich nach meinen Bedürfnissen fragte und andererseits sicherlich auch, weil ich Angst hatte, beim Gedanken an diese vergangene Zeit traurig zu werden.
Verwirrung
Die einzigen Dinge, die mich ab und zu an Uganda erinnerten, waren die Vergessen gegangenen Geschmacksexplosionen beim Nicht-Poscho-Essen und
meine Verwirrtheit darüber, dass wir hier duschen, mit einem angenehmen Massage-Duschkopf und heissem Wasser, obwohl wir nicht einmal roten Dreck hinter den Ohren haben.
Als ich am ersten Abend mein Gesicht waschen wollte, verstand ich die Welt nicht mehr. Irgendwie spürte ich das Wasser auf meiner Haut fast nicht! Was ist denn hier falsch? Aha, in der Schweiz kann man die Wassertemperatur bei einem Wasserhahn nach Belieben einstellen, damit es zum Beispiel Körpertemperatur hat und sich nicht wie ein Fremdkörper auf meiner Haut anfühlt. Das ist also wirklich ein Luxus, der mir nie auch nur im Geringsten gefehlt hätte.
Am Abend in einem weichen, Kakerlaken-freien Bett zu liegen, mit einer Nachttischlampe nebenan, in einem geschlossenen Raum und ohne Grillenzirpen, war sowohl schön, als auch sehr ungewohnt.
Erschreckend schnell habe ich mich aber leider wieder an das unglaublich gute Essen, das warme Wasser, und das Leben in einem Haus mit Heizung und Plattenboden gewöhnt. Ich versuche immer wieder, wenn ich esse oder auf einer frisch geputzten Toilette SITZE (nicht stehe sondern sitze – soo angenehm), daran zu erinnern, wie es auch sein könnte.
Ich erleide nicht jeden Tag einen Kulturschock aber meine Grundhaltung wurde dankbarer. Ich muss nicht jeden Tag ein schlechtes Gewissen haben, ich habe mir ja meine Nationalität nicht aussuchen können, aber eine Haltung der Dankbarkeit ist angemessen und bringt Freude!
Verarbeitung
Wie gesagt wurde ich total vom Alltag überrollt. Ich habe der Zeit nicht hinterhergetrauert, weil ich mich sehr auf all das Kommende gefreut habe und freue ;) Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich einen Kulturschock erlitt.
Und trotzdem habe ich mich oft gefragt: „Sag mal, was ist mit mir los?“ Ich fühlte mich emotional nicht ganz auf der Höhe, war irgendwie launisch und kratzbürstig! :)
Irgendwann mal habe ich begriffen, dass vermutlich auf emotionaler Ebene vieles abgeht, dass ich gar nicht beschreiben kann.
Nun, nach einem halben Jahr Zuhause, fühle ich mich erst wirklich in der Lage, die Zeit in Uganda und den Kulturwechsel aktiv zu verarbeiten, darüber zu schreiben und zu sprechen.
Das klingt jetzt irgendwie dramatischer als geplant! So schlimm war’s nicht, aber halt komisch und ungewohnt.
Langsam beginne ich auch die Kinder so richtig zu vermissen. Wie die kleinen Knirpse auf meinem Schoss sassen oder lebensfroh auf dem Gelände umher rannten – herzerwärmend. Ich glaube aber solche Momente, in denen ich Uganda einfach vermisse, sind auch sehr wertvoll.
Eine gute Zeit ist es schliesslich Wert, um sie zu trauern! ;)
Wenn ich zurück denke an die Zeit in Uganda kommt es mir meistens vor, als hätte ich alles geträumt – echt jetzt!
Selbst wenn ich Bilder sehe, kann ich nicht glauben, dass ich das alles wirklich erlebt habe. Irgendwie war das alles zu schön um wahr zu sein...
Wenn ich aber manchmal die Früchte dieser Zeit entdecke, weiss ich, dass ich wirklich in Uganda war!
Manchmal darf ich sehen, wie Gott mich verändert hat (neben dem, dass ich natürlich auch neue Baustellen entdecke). Und ganz oft, bin ich einfach geflasht von Gottes Art. Ich durfte ihn so viel besser kennen lernen und mehr lernen, was es heisst mit ihm unterwegs zu sein.
In Uganda habe ich mich oft gefragt: „Was ist das, was das Leben hier so frei, gelassen und wundervoll macht? Und welche Strategie brauche ich, um auch in der Schweiz so zu leben?“
Ich dachte, es müsse doch irgendwie möglich sein, diesen Lifestyle zu adaptieren.
Nun, es war mir nicht möglich den Uganda-Lifestyle hundertprozentig zu adaptieren - wen überrascht’s?
ABER es ist trotzdem möglich, mich frei, geliebt und lebensfroh zu fühlen. Es war nicht das Land an sich, das mir dieses unglaubliche Lebensgefühl schenkte – Es war und ist Gott alleine! Mit seiner Gegenwart, seinen Weisheiten, seiner Lenkung und seinen unverdienten Geschenken und Wundern, die ich auch hier genauso erleben und spüren darf...